Die Kinder von San Benito

 Es ging gegen Mittag auf dem Gut San Benito und allmählich zogen sich die meisten Menschen in den Schatten zurück. Nur wenige Arbeiter auf den Feldern mussten weitermachen. Sie würden es nicht lange überleben, aber entweder hofften sie so auf genug Geld oder den Aufstieg zu einem weniger qualvollen Beruf oder sie waren ganz einfach mit Gewalt dazu gezwungen worden. Hinter den Feldern lag ein schattiger Park, der allerdings umzäunt war. Am Rande dieses Parks graste ein Pferd. Daneben saß ein elfjähriges Mädchen in weißer Bluse und Reithose auf einem Felsblock. Die rote Reitjacke hatte sie über die Knie gelegt, der Helm lag vor ihren Füßen auf dem Boden. Das Mädchen schaute durch die Bäume auf die Landschaft mit den Plantagen und auf das etwa fünf Kilometer entfernte Dorf. Aus der Ferne wirkte das Dorf malerisch, doch in Wahrheit waren die Hütten verfallen und die Menschen bettelarm. Das wusste auch das Mädchen auf dem Felsen. Sie hieß Inés García Masquiero und war die Tochter der Herrschaften, denen der Park mit der dazugehörigen Villa und die Plantagen gehörten. Inés war groß für ihr Alter und sah gut aus: Die langen und dichten Haare und der feine Gesichtsschnitt waren angeboren, doch die Kosmetikerinnen und Friseusen des Hauses hatten das Ihre dazugetan.

 Unten auf der Plantage bellte ein Hund. Inés dachte sich zunächst nichts dabei, doch als das Bellen länger anhielt, entschied sie sich, nachzuschauen. Sie zog Jacke und Helm an und sprang auf ihr Pferd. Sie ritt durch das Tor auf die daran anschließende Bananenplantage. Der Reitweg führte mitten durch diese und Inés hatte es schon erlebt, wie ihre Eltern, auch zusammen mit Gästen, durchgeritten waren, um den Arbeitern zuzuschauen. Die Tore ließen sich durch eine elektrische Fernsteuerung öffnen, damit die hohen Herrschaften nicht absitzen mussten. Die Arbeiter oder gar Diebe sollten aber nicht ohne Erlaubnis hineinkommen. Da Inés selbst ein Steuerungsgerät besaß und die meisten Kombinationen kannte, konnte sie problemlos die Tore öffnen. Zurzeit war bei den Bananen nichts zu tun und deshalb kaum jemand auf diesen Feldern. Nur Daboy, der Wachhund, durfte hier frei laufen. Wenn er so lange bellte, stimmte hier etwas nicht. Inés sah allerdings noch keine Wachen. Sie ritt dem Bellen nach. Am Rand der Plantage war Daboy, und dahinter sprang gerade ein Junge vom Zaun herunter nach außen. Inés ritt hin: „Stehen bleiben!“ schrie sie. Was hatte der Junge hier zu suchen? Die Kinder der Arbeiter waren, wenn sie selbst nicht arbeiten mussten, in den umliegenden Dörfern. Inés zog ihre Pistole und schoss in die Luft: „Stehen bleiben habe ich gesagt!“. Es war zwar nur eine Schreckschusspistole, doch sie wirkte auf den Jungen. Der blieb wirklich stehen. Doch noch weiter außen war ein anderer Junge mit einem Sack, der ihn nun anbrüllte: „Schnell, Pepe du Idiot! Die schießt nicht so weit und hier kann sie uns auch nicht nachreiten. Da drüben im Buschwald sind wir sicher, wenn sie die Wächter holt.“

 Die beiden Jungen rannten los. Wenn die Wächter reagierten, würde es immer noch eine Zeit dauern, bis sie herunterkämen, denn hier war keine Straße. Inés überlegte: Wenn sie zum Tor ritt, konnten die Jungen inzwischen den Buschwald erreichen und dort abtauchen. Es gab nur eine Möglichkeit... Sie graulte ihrem Pferd Rico die Mähne. „Du schaffst es, mein Guter!“, flüsterte sie ihm zu und gab ihm die Sporen. Tatsächlich übersprang das Pferd ohne Probleme den Zaun, der zwei Meter hoch und oben mit elektrischem Draht gesichert war. Schon oft war sie über höhere Hindernisse gesprungen, aber das hier war etwas Neues. Sie fühlte sich großartig, als sie auf ihrem Pferd hinter den völlig verschreckten Jungen herjagte. Inés schoss noch einmal. „Zum letzten Mal: Stehen bleiben oder es knallt!“ Nun gehorchten die Jungen und fielen auf die Knie. „Gnade, Señorita!“, flehte der Ältere. „Ich lass meine Bananen hier, aber lassen Sie uns laufen. Wir müssen unsere Mutter und unsere Geschwister durchbringen. Bitte, wir sind keine Diebe!“

 Inés zog die Zügel an und schaute auf die Jungen herunter. Ihre Gesichter waren eingefallen, ihre Kleider zerlumpt und schmutzig. Der Ältere, der sie angesprochen hatte, mochte acht oder neun Jahre alt sein. Er hatte eine Narbe im Gesicht und seine Haare waren lang, wie bei Indios üblich. Der jüngere, Pepe, hatte ein – obwohl er rappeldürr war – fast rundes Kindergesicht. Älter als sechs Jahre war er bestimmt nicht.

 Inés sah von ihrem Pferd herunter. „Was habt ihr denn überhaupt im Sack? Um die Jahreszeit sind doch die Bananen noch lange nicht reif!“

 „Zum Kochen reicht es, Señorita!“, sagte der ältere Junge. „Sehen Sie selbst, da drin ist nichts anderes.“ Er öffnete den Sack und hob ihn mit großer Mühe hoch. Tatsächlich war nichts anderes als giftgrüne Bananen darin. Inés schüttelte den Kopf.

 „Señorita, wenn man Hunger hat, gibt es nichts besseres. Und die Felder, auf denen erntereife Früchte sind, werden bewacht.“

 „Ich mach euch einen Vorschlag: Ich geb euch fünf Dollar, dafür kauft euch Essen und lasst die Bananen in Ruhe! Die sind momentan nicht gut für euch und wenn ihr welche stehlt, hat auch niemand was davon, wenn sie reif sind.“

 Sie griff nach ihrem Geldbeutel, holte einen Schein heraus und beugte sich nach unten zu den Jungen. Die trauten sich gar nicht, zuzugreifen. Endlich sagte der Jüngere: „Ist das wirklich für uns?“ Inés nickte.

 „Vielen Dank, Señorita!“ riefen die beiden Jungen einstimmig.

 Inzwischen waren Wächter hergekommen. Sie richteten ihre Gewehre auf die beiden Jungen. „Haben sie Sie belästigt, Señorita?“, fragte der Anführer.

 „Alles in Ordnung! Fehlalarm! Geht auf eure Posten!“, sagte Inés mit möglichst fester Stimme. Wenn sie die Wahrheit sagen würde, dann würden die beiden Jungen womöglich erschossen.

 „Señorita, ich glaube kaum, dass es für eine junge Dame in Ihrer Stellung angemessen ist, sich mit solchen Lumpen abzugeben. Was der Patrón wohl sagen wird?“

 „Das lasst meine Sorge sein und die meines Vaters!“, schimpfte Inés, nun wirklich wütend. Sie hatte es satt, wie alle Bediensteten sie bemuttern wollten. „Abmarsch! Das ist ein Befehl!“

 Die Wächter salutierten und ritten davon, blieben aber in Sichtweite.

 „Warum suchen eure Eltern nicht Arbeit hier auf den Feldern?“, fragte Inés die beiden Jungen.

 „Finden keine. Alles schon vergeben. Und die Bezahlung wird immer schlechter. Ich hab letzten Monat ein paar Tage dort gearbeitet. Am letzten Tag 20.000 Pesos bekommen – das heißt, drei Tage später, da waren die kaum noch was wert. Inés erschrak: 20.000 Pesos, davon konnte man gerade einmal eine Tortilla mit Belag kaufen. Das konnte sie sich gar nicht vorstellen.

 „Du lügst! Von 20.000 Pesos am Tag kann kein Mensch leben!“, sagte sie.

 „Kann man auch nicht!“, antwortete der jüngere. „Aber was, wenn du keine andere Möglichkeit hast? Und wenn der Vater weg ist und die Mutter kein Geld hat? Wir sind sechs Kinder daheim, da ist jeder Peso wichtig.“

 Der ältere sagte: „Vielleicht gehe ich in die Großstadt und dort Geld verdienen. Da geht mehr. Schließlich bin ich schon zwölf.“

 Inés erschrak wieder. Der Junge war etwas älter als sie, doch wenn sie nicht völlig falsch schätzte, was vom Pferd aus durchaus möglich war, um fast einen Kopf kleiner und viel schmächtiger, weshalb sie ihn auch jünger geschätzt hatte. Und der wollte weg in die Großstadt und dort alleine leben?

 Sie sah auf ihre Uhr. Fast eins, sie musste nach Hause. „Jungs, ich muss los!“, sagte sie. „Ich werd' mal sehen, was sich machen lässt! Wir können uns ein anderes Mal wieder hier treffen! – Ach ja, wie heißt ihr eigentlich?“
 „Ich bin Pancho, das ist mein Bruder Pepe“, antwortete der Ältere. „Und, wenn es Ihnen nichts ausmacht: treffen wir uns lieber im Busch, beim ‚Ewigen Baum’! Dort sieht uns niemand“

 Der „Ewige Baum“ war ein riesiger und uralter Baum, der aus dem niedrigen Gehölz ringsum herausragte. Er hatte die Brandrodung vor fünfzig Jahren überlebt und wurde seitdem von manchen als heilig angesehen.

 „Einverstanden!“, sagte Inés. „Freitag Nachmittag um drei, am Ende der Siesta.“ Um diese Zeit würde niemand darauf achten, warum sie ausgerechnet auf die Büsche zuritt.

 „Und vielen Dank noch einmal, Señorita! Wir hatten noch nie so viel Geld!“, fügte Pancho hinzu. Inés konnte es kaum glauben – ihr wöchentliches Taschengeld betrug 40 Dollar und sollte demnächst noch erhöht werden.

 Die beiden Jungen verbeugten sich tief und gingen auf den Wald zu. Das Mädchen ritt zurück zum Park, in dem sich das Schloss ihrer Eltern befand. Dort saß sie ab. Ein Pferdeknecht führte den braven Rico in den Stall, während Inés in ihr Schlafzimmer ging und sich frische Kleidung suchte. Danach duschte sie, zog die neue Kleidung, eine weiße, bestickte Bluse und einen schwarzen Rock, an, suchte einige dazu passende Schmuckstücke zusammen und schlüpfte in ihre Sandalen. Zum Schminken war keine Zeit mehr, doch sie sprühte sich noch mit Parfüm ein. Sie ging ins Esszimmer. Ihre Mutter saß schon am Tisch, ihr Bruder José würde jeden Moment kommen. Ob der Vater kommen würde, war dagegen nicht sicher.

 José kam ins Zimmer, ein schlanker Bursche von vierzehn Jahren mit einer modischen Frisur. Die Stoffhose und die Krawatte, die er trug, passten nicht ganz zu seinem jungenhaften Gesicht. Er begrüßte seine Mutter mit Handkuss, seine Schwester dagegen nur mit lässig erhobener Hand. Doña María del Pilar sah auf die Standuhr. „Es sieht aus, als ob mein Mann nicht kommt. Beginnen Sie mit dem Auftragen, Carlos!“, wandte sie sich an den Diener im Anzug, der an der Tür stand. Der verneigte sich. „Sehr wohl, Señora!“

 Sekunden später standen Salatplatten mit Filetstückchen und Muscheln und verschiedene Sorten Brot auf dem Tisch. Die Mutter aß nur wenig und Inés kam vor, als ob irgend etwas sie bedrückte. José dagegen hatte seinen Teller schnell leer und legte noch nach, als ob nicht nachher noch Fleisch auf den Teller käme. Irgendwann schien auch er zu merken, dass etwas nicht stimmte. „Was ist denn los, Mama?“, fragte er.

 „Ach, nichts! Ich fühl mich nur nicht wohl. Aber es ist nichts Ernstes!“

 Damit war das Gespräch beendet. José erzählte von seinen Gesprächen mit dem Verwalter und dem Landrat. Die Mutter war zufrieden, dass er offensichtlich einen angemessenen Eindruck für ein Mitglied der Präsidentenfamilie hinterlassen hatte.

 Obst und Süßspeisen wurden aufgetragen, danach Kaffee. Es war kurz vor zwei Uhr, als Doña Pilar die Tafel aufhob. Inés ging gemeinsam mit José in den Trakt, in dem ihre Zimmer lagen. Eigentlich war sie nicht müde, aber José würde sich auch hinlegen und mit ihrer Kinderfrau Gloria wollte Inés sich nicht unterhalten. So legte sie sich auf das Sofa in ihrem Wohnzimmer. Auch das Fernsehprogramm gab um diese Zeit nichts her. Die Langeweile störte Inés manchmal auf dem Landgut. In Traslidera durfte sie zwar das Stadtpalais nicht alleine verlassen – das war auch zu verstehen, es war viel zu gefährlich bei all den Schießereien – doch dort hatte sie ihre Freundinnen, mit denen sie sich treffen konnte. Fast immer, wenn sie wollte, fand sich ein Chauffeur, der sie mit einer der kugelsicheren Limousinen des Hauses zu einer ihrer Freundinnen brachte. Oft waren diese auch bei ihr und das Stadtpalais bot so wie das Landgut, alle Möglichkeiten: Man konnte Tennis spielen, schwimmen (im Freien oder in der Halle), fechten und noch vieles mehr. Nur beim Reiten zeigten sich die Grenzen des Stadtpalais schnell. Das war hier, wo Inés durch die ganze Finca, zu der mehrere Dörfer gehörten, reiten durfte, angenehmer. Doch auf sonstigen Sport hatte sie wenig Lust, da hier nur ihr Bruder als Partner in Frage kam, der ihr in allen Sportarten weit überlegen war.

 Doch selbst José war am Nachmittag, als Inés ihr Zimmer verließ, schon wieder weg. So nahm sie ihre Badesachen und schwamm einige Runden durchs Schwimmbecken. Danach ließ sie sich von der Sonne bescheinen. Ihre Eltern sahen das nicht gern, denn braun gebrannt waren die Arbeiter auf den Plantagen, die den ganzen Tag in der Sonne aushalten mussten. Unter besseren Leuten galt es nicht als schön, braun zu sein.

 Am Abend war auch Inés’ Vater, der Bürgermeister von Traslidera, Manuel García Hernández, anwesend. Er sprach wenig, erzählte auch nicht, was ihn am Mittag aufgehalten hatte. Inés konnte sich mehrere Dinge vorstellen: In Traslidera gab es genug Straßenbanden, mit denen die Polizei nicht fertig wurde. Vielleicht war wieder etwas passiert. Vielleicht hatte der Vater auch mit der Staatsregierung zu tun gehabt.

 Er versprach Inés eine Überraschung. Das Mädchen dachte nicht lange nach, was es sein könnte. Sie hatte eigentlich alles, was sie wollte, und ihre Freundinnen konnte selbst ihr Vater nicht herzaubern.

 

 Am nächsten Tag, nach ihrem Morgenausritt, klopfte Nieves, das Dienstmädchen, bei Inés.

„Sie haben Post, Señorita!“, sagte sie mit einem Knicks, drückte ihr einen Brief in die Hand und verschwand. Inés las und hätte beinahe laut gejubelt: „Liebe Inés, ich weiß nicht, ob es dir deine Eltern schon gesagt haben, aber wir wollen euch besuchen. Mein Vater sagt nichts Genaues, aber er will mit deinem Vater wichtige Dinge bereden. Vielleicht darf ich sogar länger bleiben, wenn deine Eltern nichts dagegen haben. Kannst du bei ihnen ein gutes Wort einlegen? Ich würde mich riesig freuen, die Ferien waren so langweilig ohne dich. Sei so lieb und ruf mich an (Wir sind seit gestern wieder in der Stadt). Grüße und Küsse, Deine Teresa.“

 Teresa Fernández war Inés’ beste Freundin. Ihr Vater war Direktor des Finanzdepartments der Region Traslidera-Central und hatte oft mit Inés’ Vater zu tun. Der hatte einmal im Scherz gesagt: „Ein Glück, dass unsere Töchter befreundet sind, da fällt es niemandem auf, wenn wir uns treffen!“

 Der Vater erzählte beim Mittagessen vom geplanten Besuch, ohne dass Inés ihn bitten musste. Er fügte auch ganz selbstverständlich hinzu, dass Teresa die nächste Woche und vielleicht noch länger bleiben wollte.

 Nach dem Mittagessen bat Doña María del Pilar ihre Tochter zu sich. „Kleines“, sagte sie. „Wenn du im Oktober zwölf Jahre alt wirst, sollst du zum ersten Mal in die Gesellschaft eingeführt werden. Dein Großvater will es so.“ – ‚Nie sagt sie „mein Vater“’, dachte Inés. ‚Fehlt noch, dass sie ‚der Herr Präsident’ sagt wie Papa.’ – „Und da haben Papa und ich gedacht, wir werden an diesem Wochenende schon einmal üben. Don Domingo Fernández kennt dich und wird dir nichts übel nehmen, aber ich möchte, dass du dich benimmst, als ob seine Familie offizielle Gäste wären. Fangen wir also an: Was tust du vor dem Essen?“

 „Ääh – ich dusche mich, ziehe mich anständig an und...“

 „Selbstverständlich! Mónica wird dich herrichten. Und im Übrigen: Du hängst nicht am Fenster, bevor sie kommen, sondern wartest mit uns im Salon bis Carlos sie ankündigt. Und dann: Wie begrüßt du sie?“

 „Ich grüße zuerst Teresas Eltern und sage zu ihnen „Señor Director“ und „Doña Mari Ángeles.“ – „Und?“

 Inés zuckte mit den Schultern.

 „Dass du ja nicht wieder auf die Idee kommst, Doña Mari Ángeles mit Handkuss zu begrüßen. Der Handkuss steht dir zu. Und sie haben dich zuerst zu grüßen, auch die Eltern! Du gehörst zur Präsidentenfamilie, nicht sie.“

 Wie die verschiedenen Bestecke zu benutzen waren, wusste Inés. Auch dass laute Unterhaltung über den Tisch weg tabu war und dass sie nur leicht den Kopf zu heben hatte, wenn sie etwas brauchte. Carlos war ein sehr aufmerksamer Diener und sah die kleinste Bewegung seiner Herrschaften.

 „Und du bleibst am Tisch sitzen, bis die Tafel aufgehoben wird. Und das tut niemand außer Papa“, schloss die Mutter ihren Vortrag.

 Das versprach ja, anstrengend zu werden!

 „Wir werden das heute und morgen üben. Vor dem Essen wird Marco, der Chauffeur, Teresas Vater sein, Mónica Teresas Mutter und Nieves Teresa.“

 

 Es wurde so anstrengend, bereits bei der Übung, wie Inés gedacht hatte. Ihre Eltern waren streng, wenn sie Fehler machte, doch tröstete es sie, dass auch ihr Bruder José nicht perfekt war.

 Nach dem Essen rief Inés Teresa an. Die Mädchen redeten lange über Gott und die Welt, Inés empfahl Teresa, welche Kleidung sie mitnehmen sollte, Teresa erzählte ihr, dass auf dem Paseo Masquiero wieder neue Geschäfte geöffnet hatten und sie unbedingt dorthin wollte. Gegenseitig schworen sie sich zehnmal, wie sehr sie sich vermissten.

 In der Nacht dachte Inés auch über ihr Versprechen an Pancho und Pepe nach. Wie wollte sie ungesehen in die Büsche kommen? Welcher Pferdeknecht sollte ihren Rico satteln? Nicht, dass sie es nicht selbst konnte, aber trotzdem. Und: Was wollten diese Jungen? War es nicht gefährlich, ganz allein? Wenn sie herausfänden, dass Inés nur eine Schreckschusspistole hatte? Die echte Pistole, mit der Inés gelegentlich Schießübungen machte, lag verschlossen in einem Sicherheitsschrank, dessen Schlüssel sie nicht hatte. Und wie sollte sie ihren Eltern erklären, dass sie eine Pistole brauchte? Inés wälzte sich im Bett hin und her; sie hatte Angst, ihren Eltern zu erzählen, was sie erlebt hatte. Was sie am Freitag vorhatte, sich mit dem „Abschaum“ zu treffen, und was am Samstag geplant war, sie gesellschaftsfähig zu machen, widersprach sich. Wenn ihre Eltern je erfahren sollten, dass sie Bauernkinder traf, was dann? Und wie konnte sie diesen armen Teufeln helfen?

 

Zurück 


Dieses Buch gibt es zu kaufen